Was habe ich erwartet? Habe ich etwas erwartet? Oder habe ich es einfach nur versäumt etwas zu erwarten? Ich habe  den Wunsch, Prof. Manjari Dwivedi zu treffen. Der Leiterin des Institutes für Frauenheilkunde im Ayurveda an der Benares Hindi Universität (BHU) in Varanasi. Hier möchte ich ein Praktikum machen. Per Mail habe ich keine Antwort erhalten. Also habe ich diese Reise angetreten und versuche einfach sie persönlich aufzusuchen. Nichts ist geplant oder vorab besprochen.

Irgendwie habe ich es geschafft meinem Fahrrad-Rikscha Fahrer Rashid zu erklären, ich möchte an die BHU. Er spricht gebrochen Englisch. Eine Eigenschaft für die ich etwas das 10-fache vom normalen Preis bezahle. Ich leiste mir diesen Luxus. Immerhin bin ich auf den Spuren meiner Mission! Mich halbwegs verständigen zu können entspannt mich. Ungemein! Aber dann kommt etwas, womit ich einfach nicht gerechnet habe. „Wohin denn an die BHU?“ ….hmmm… scheint groß zu sein da…. Geistesgegenwärtig antworte ich „Main entrance“… und habe eine Millisekunde ein echtes Hochgefühl. „Which main entrance, Mam?“… Ich schweige. Betreten. „I will bring you to hospital, hmmm?!“ Ich nicke. Dankbar lehne ich mich auf meinem Rikschasitz zurück. Offen bleibt, ob er mich vielleicht einfach krank oder nur komisch findet.  Aber seit heute ist es für mich amtlich! Inder können Gedanken lesen. Wir radeln durch die bunten, quirligen und engen Gassen von varanasis Altstadt. Motorrikschas und Autos sind hier nicht erlaubt, hätten auch null Chance. Das hier toppt sogar die engen Gassen von Marakesch. An jedem kleinen Hügel frage ich meinen Fahrer, ob ich absteigen soll. Ich fühle mich unwohl dabei gezogen zu werden,  finde das kolonial. Aber Rashid bleibt entspannt und erzählt mir gelassen über das Muslim-Viertel durch das wirr gerade radeln. Irgendwann erreichen wir eine echte Straße. Mit Smog und dem typisch indischen Gehupe. Nach ein paar trockenen Hustenanfällen endlich die BHU. Das Krankenhaus. Gefühlt ist das hier mindestens so groß wie der Frankfurter Flughafen. Beide Terminals. Überall liegen Patienten auf der Straße, dem Vorplatz. In den Gängen. Manche mit Schläuchen in der Nase, andere mit Infusionen im Arm, wieder andere auf Metalltragen. Daneben die Großfamilien, die Frauen in wunderschön bunten Saris. Kühe laufen wiederkäuend und kackend dazwischen rum, zweimal trete ich in frische Fladen. Überall räkeln sich Straßenhunde in der goldenen Sonne.

 

Es gibt hier ein paar Schilder. Alle auf Hindi. Ich fühle mich verloren. Total verloren. Und frage mich, wie ich auf die komplett bescheuerte Idee gekommen bin, ausgerechnet hierher zu kommen! Warum liege ich nicht irgendwo safe am Strand? Nagelneuer Bikini, Piz Buin LSF 30 und ein Liebesroman? Diese Gedanken halten ungefähr 22 Sekunden an, dann poppt mein Abenteuer-Gen wieder auf. Cool! Das ist ja spannend hier. Ich lege meine professionelle und wahnsinnig freundliche Dr. Roos-Miene auf und frage mich mutig durch. Immerhin habe ich über 10 Jahre in deutschen Krankenhäusern gearbeitet. So schwer kann das hier auch nicht sein! Dann ein Schild auf Englisch. Pediatrics. Da gehe ich hin und treffe auf zwei mäßig freundliche Krankenschwestern. Und bekomme einen indischen Begleiter, der mich in ein anderes Gebäude führt. Hier gibt man mir einen Termin bei der Chefin der Frauenheilkunde. Schulmedizin. Kein Ayurveda. Wir trinken einen Tee, plauschen ein wenig und tauschen Adressen. Es würde mich nicht wundern, wenn ich ab sofort zuständig bin für die Vermittlung von varanasis Gyn- Praktikantinnen in Deutschland. Ich muss grinsen. Aber, klar. Hier bin ich falsch. Planlos surfe ich durch das Gebäude. Und lande wie zufällig im Sekretariat des Oberchefs der Uni. Die Sekretärin bedrängt mich fast, ich solle doch einen kurzen Monument warten und ihm dann mein Anliegen persönlich vortragen. Ich muß pinkeln, beschließe aber durchzuhalten. Immerhin, wir reden hier über die Erfüllung meines Traumes! Lange dauert es nicht. Neben dem Boss sitzt Prof. Chowdry. Er ist der Dekan der Ayurveda-Fakultät. Samstag vor meinem Abflug nach Indien habe ich zufällig Kerstin Rosenberg getroffen. Sie hat mir gesagt, wenn nichts mehr geht, geh zu Prof. Chowdry und bestelle ihm schöne Grüße… er ist ein Checker und macht alles möglich. Am nächsten Tag habe ich einen Termin mit Prof. Dwivedi. Incredible India!